An der Wiege des Alpinismus
Der Ankogel gilt als der am frühesten bestiegene vergletscherte Dreitausender in den Alpen. Das geht unter anderem aus einem Reisebericht mit dem Titel „P. K. Thurwieser’s Reisen in den Ferien 1822“, veröffentlicht in der Zeitschrift Der Tourist, hervor. Man liest dort, dass der Geistliche Peter Carl Thurwieser am 16. September des Jahres 1822 von Wildbad Gastein (dem heutigen Bad Gastein) ins etwa dreieinhalb Kilometer entfernte Böckstein gewandert war, in der Absicht, einen Führer auf den „verrufenen“ Ankogel zu suchen. Thurwieser wird in jenem Bericht mit folgenden Worten zitiert: „Von der Besteigbarkeit dieses Berges wusste man mir nur so viel zu sagen, dass der sogenannte alte Patschg – sein Haus ist vom Wildbad gegen Böckstein das erste am Weg – vor etwa 60 Jahren von seiner im hintersten Theile des Anlaufthales gelegenen Alpe aus, denselben bestiegen und von der großen Mühe und Gefahr, die er dabei überstanden, erzählt habe.“ Damit ist das Jahr der Erstbesteigung also nur ungefähr auf das Jahr 1762 zu datieren. Aber so, wie auch unsere Zeitrechnung nicht mit 5 oder 8 vor der Geburt Christi, sondern mit dem von der westlichen Welt im Wesentlichen akzeptierten Jahre null beginnt, gilt seither – zumindest in der Welt der Hohen Tauern – das Jahr 1762 als die Geburtsstunde des Alpinismus.
Was aber mag diesen Bauern aus dem Fürsterzbistum Salzburg in der Mitte des 18. Jahrhunderts bewogen haben, den vereisten Gipfel zu besteigen? Die gewöhnlichen Alpenbewohner hatten andere Sorgen. „Hinauf“ ging man nur, wenn sich ein Nutztier bei der Suche nach Futter verstiegen hatte, um die Herde bei zu frühem Wintereinbruch sicher ins Tal zu begleiten, oder zu Zwecken der Jagd, was bei den Einheimischen meist wildern bedeutete, da die Jagd offiziell dem Adel und den Grundherrn vorbehalten war. Dort oben, am Gletscher des Ankogels, gab es aber weder Vieh zu bergen noch Wild zu jagen. Auch lagen die durchschnittlichen Jahrestemperaturen in dieser Zeit in den Alpen etwa 2 Grad Celsius unter dem Mittelwert des 20. Jahrhunderts. Was also trieb den Almbauern Patschg? Wer das Böcksteiner Anlauftal kennt, der kann seinen Antrieb erahnen. Auf dem Weg zu seiner Alm, der 1701 Meter hoch gelegenen Oberen Radeggalm im hinteren Anlauftal, hatte er den rund 2000 Meter höher aufragenden und alle anderen Gipfel überragenden Ankogel stets im Blick. Dabei mag bei ihm irgendwann der Entschluss gereift sein, dort hinauf zu gehen, vielleicht um zu sehen, was hinter diesem Berg liegen mag. Der österreichische Filmemacher Georg Stadler hat dem Almbauern Patschg anlässlich des 250. Jubiläums der Erstbesteigung mit dem Film „Die Wiege des Alpinismus“ (Erstausstrahlung 2012) ein berührendes Denkmal gesetzt.
Nach Patschg standen wahrscheinlich noch mehrere Einheimische sowohl aus Salzburg wie auch aus dem damaligen Herzogtum Kärnten auf dem Berggipfel, bis dann der eingangs erwähnte Geistliche Peter Carl Thurwieser im Jahr 1822 den Berg bestieg und den Weg dorthin das erste Mal ausführlich beschrieb. Harald Schueller charakterisierte Thurwieser im Alpenvereins-Jahrbuch 1979 als einen begeisterten Bergsteiger, der zu seiner Zeit bereits zahlreiche Bergfahrten „ohne jeden Nebenzweck und nur um ihretwillen“ unternommen habe.
Im Sommer 1826 stand dann (gemeinsam mit Thurwieser und Baron Herbert aus Klagenfurt) auch der legendäre Erzherzog Johann, Bruder von Kaiser Franz I., auf dem Gipfel des Ankogels.
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Skigebiet Ankogel Mallnitz | Skifahren und Wandern in Kärnten, Österreich (ankogel-ski.at)